Economic Re-ordering
In den 1990er-Jahren wurde der globale Kapitalismus weltweit zum vorherrschenden Paradigma, wobei der Markt und die Logik des Extraktivismus und des Managements als unbestrittene Vorlage für die Organisation aller Lebensbereiche dienten. Seitdem haben jedoch wiederholte finanzielle, politische und epidemiologische Krisen in Verbindung mit zunehmenden ökologischen Herausforderungen die Grenzen dieses Modells aufgezeigt. Heute erleben wir eine umfassende Neuordnung der Wirtschaft und der vielen sozialen Prozesse, in die sie eingebettet ist. Soziale Bindungen werden zur primären Wertquelle und zum Organisationsparadigma für neue Märkte, angetrieben durch Faktoren wie die Energiewende, das Streben nach nachhaltigem Ressourcenverbrauch, Digitalisierung, Finanzialisierung und globale Warenketten.
Infolgedessen hat die ethnologische Perspektive auf die Einbettung der Wirtschaft erneut an Bedeutung gewonnen. Unser Ziel ist es, die tiefe Verflechtung der Wirtschaft mit scheinbar nicht-ökonomischen Bereichen wie Governance, Religion, Gesundheit, Freizeit, Bildung und Privatleben in der heutigen Welt zu untersuchen. Anhand detaillierter Fallstudien können wir beginnen, diese Verbindungen zu entschlüsseln, ihre künftige Entwicklung vorherzusagen und grundlegende Konzepte neu zu überdenken. Unsere Untersuchungen verwenden eine ethnologische Linse, um die jüngste globale und koloniale Geschichte zu verstehen, wobei wir wirtschaftliche Faktoren und die Materialität betonen, anstatt von der Vorrangstellung dominanter Leitkonzepte auszugehen. Wir werden uns mit zeitgenössischen Phänomenen befassen und uns dabei auf materielle und digitale Infrastrukturen und deren Auswirkungen auf das soziale Leben konzentrieren, insbesondere auf „neue“ IT-basierte und vermeintlich fossilfreie Industrien, Plattformunternehmen, Crowdfunding und experimentelle Formate. Wir werden analysieren, welche Auswirkungen diese Innovationen auf die Logistik haben und wie sie die Erfahrungen von Verbrauchern und Produzenten in ihren physischen und nicht-virtuellen Umgebungen prägen. Zu den wichtigsten Aspekten gehören die Mobilität von Menschen und Gütern, die Organisation dieser Mobilität durch Makler und Agenturen sowie die Stadtplanung und -entwicklung als wichtige Orte der Wertschöpfung. Darüber hinaus werden wir untersuchen, wie diese Dynamik die Zuweisung von Kosten und Nutzen an private und öffentliche Akteure sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene beeinflusst, häufig durch die Aneignung ehemals gemeinsamer Ressourcen.